Scheinselbstständigkeit
Die Scheinselbstständigkeit ist eine rechtlich definierte Situation, in der eine Person offiziell als Selbstständig auftritt, allerdings in Wahrheit in einem Angestelltenverhältnis agiert. Dies kann zu verschiedenen Problemen hinsichtlich Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung führen und sollte demnach strengstens vermieden werden.
Wie Sie eine Scheinselbstständigkeit erkennen und vermeiden, lernen Sie in diesem Beitrag.
Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine Person zwar formal als selbstständig arbeitet, aber tatsächlich in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist oft nicht einfach.
Folgende Kriterien können auf eine Scheinselbstständigkeit hindeuten:
- Weisungsgebundenheit: Der Auftragnehmende muss Anweisungen des Auftraggebers bezüglich Arbeitszeit, -ort und -ablauf befolgen.
- Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers: Der Auftragnehmende nutzt Räumlichkeiten, Arbeitsmittel oder Personal des Auftraggebers.
- Fehlendes unternehmerisches Risiko: Der Auftragnehmende trägt kein eigenes wirtschaftliches Risiko und hat keine Chance auf unternehmerischen Gewinn.
- Persönliche Abhängigkeit: Der Auftragnehmende kann nicht frei über seine Arbeitszeit und den Arbeitsort entscheiden.
- Beschränkung auf einen Auftraggeber: Der Auftragnehmende arbeitet ausschließlich oder überwiegend für einen Auftraggeber.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht ein einzelnes Kriterium ausschlaggebend ist, sondern eine Gesamtbetrachtung aller Umstände erfolgt.
Wann besteht keine Scheinselbstständigkeit?
Eine echte selbstständige Tätigkeit liegt vor, wenn der Auftragnehmende unternehmerische Freiheiten genießt und ein eigenes wirtschaftliches Risiko trägt. Folgende Merkmale sprechen gegen eine Scheinselbstständigkeit:
- Freie Gestaltung von Arbeitszeit und -ort
- Möglichkeit, Aufträge abzulehnen
- Eigene Preisgestaltung
- Mehrere Auftraggebende
- Eigene Betriebsstätte und Arbeitsmittel
- Beschäftigung eigener Mitarbeitenden
- Eigenständige Akquise von Kund:innen
- Tragen des unternehmerischen Risikos (z.B. Haftung für Fehler)
Wenn Sie sich selbstständig machen möchten, sollten Sie diese Aspekte berücksichtigen, um eine klare Abgrenzung zur abhängigen Beschäftigung zu schaffen.
Was droht bei Scheinselbstständigkeit?
Die Folgen einer festgestellten Scheinselbstständigkeit können für beide Parteien erheblich sein:
Für den Auftraggeber:
- Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen (bis zu vier Jahre rückwirkend)
- Nachzahlung von Lohnsteuer
- Bußgelder und strafrechtliche Konsequenzen bei Vorsatz
- Imageschaden
Für Auftragnehmende:
- Verlust des Status als selbstständige Person
- Nachzahlung von Steuern
- Möglicher Verlust von Rentenansprüchen
- Rückzahlung zu Unrecht erhaltener Fördermittel für Selbstständige
Es ist daher sowohl für Auftraggeber als auch für Auftragnehmer wichtig, die Unterschiede zwischen freiberuflich und selbstständig zu kennen und die Arbeitsbeziehung klar zu definieren.
Wer kontrolliert Scheinselbstständigkeit?
Die Kontrolle der Scheinselbstständigkeit obliegt verschiedenen Institutionen:
- Deutsche Rentenversicherung Bund: Sie führt das Statusfeststellungsverfahren durch, um zu klären, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt.
- Zoll: Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls führt Prüfungen durch, um Scheinselbstständigkeit aufzudecken.
- Finanzämter: Bei Betriebsprüfungen können Finanzämter Anhaltspunkte für Scheinselbstständigkeit entdecken.
- Krankenkassen: Sie können bei Verdachtsfällen Prüfungen einleiten.
- Arbeitsagenturen: Bei der Beantragung von Arbeitslosengeld können Fälle von Scheinselbstständigkeit auffallen.
Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung spielt eine zentrale Rolle bei der Beurteilung von Zweifelsfällen.
Wie wird Scheinselbständigkeit aufgedeckt?
Die Aufdeckung von Scheinselbstständigkeit erfolgt oft durch:
- Statusfeststellungsverfahren: Auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen kann die Deutsche Rentenversicherung Bund ein Verfahren einleiten, um den Status des Beschäftigungsverhältnisses zu klären.
- Betriebsprüfungen: Bei routinemäßigen Prüfungen durch Sozialversicherungsträger oder Finanzbehörden können Fälle von Scheinselbstständigkeit entdeckt werden.
- Hinweise von Dritten: Konkurrent:innen, ehemalige Mitarbeitende oder anonyme Anzeigen können Behörden auf mögliche Fälle aufmerksam machen.
- Selbstanzeige: In manchen Fällen melden sich Betroffene selbst, um rechtliche Konsequenzen zu minimieren.
- Datenabgleich: Behörden können durch den Abgleich von Steuerdaten und Sozialversicherungsmeldungen Unstimmigkeiten feststellen.
Bei der Aufdeckung wird besonders auf die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse geachtet, nicht auf die vertragliche Gestaltung.
Was tun, um Scheinselbstständigkeit zu vermeiden?
Um Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, sollten sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmende folgende Maßnahmen ergreifen:
- Klare vertragliche Regelungen: Vereinbaren Sie präzise die Leistungen, Vergütung und Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit.
- Unternehmerisches Auftreten: Der Auftragnehmende sollte eigenständig am Markt auftreten, eigene Werbung betreiben und mehrere Auftraggeber haben.
- Keine Weisungsgebundenheit: Der Auftragnehmernde sollte frei über Arbeitszeit und -ort entscheiden können.
- Eigene Betriebsmittel: Verwendung eigener Arbeitsmittel und einer eigenen Betriebsstätte durch den Auftragnehmer.
- Keine Integration in den Betrieb: Vermeiden Sie die Eingliederung der Auftragnehmenden in die betrieblichen Abläufe des Auftraggebers.
- Regelmäßige Überprüfung: Evaluieren Sie die Zusammenarbeit regelmäßig auf Anzeichen von Scheinselbstständigkeit.
- Statusfeststellungsverfahren: Bei Unsicherheit kann ein freiwilliges Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Klarheit schaffen.
Wenn Sie sich nebenberuflich selbstständig machen möchten, ist besondere Vorsicht geboten, um nicht in die Scheinselbstständigkeit zu geraten.
Häufige Fragen zur Scheinselbstständigkeit
Kann ein Kleinunternehmer scheinselbständig sein?
Ja, auch Kleinunternehmer:innen können scheinselbstständig sein. Der Umsatz oder die Größe des Unternehmens sind nicht entscheidend für die Beurteilung der Scheinselbstständigkeit. Ausschlaggebend sind die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse und der Grad der unternehmerischen Freiheit.
Wer zahlt Lohnsteuer bei Scheinselbstständigkeit?
Bei festgestellter Scheinselbstständigkeit ist der Auftraggeber verpflichtet, die Lohnsteuer nachzuzahlen. Er kann diese jedoch vom Scheinselbstständigen zurückfordern, da dieser die Vergütung ursprünglich ohne Steuerabzug erhalten hat.
Was ist die 5-6-Regelung?
Die 5-6-Regelung ist eine Faustregel zur Beurteilung der Selbstständigkeit bei Handelsvertretern. Sie besagt, dass ein Handelsvertreter als selbstständig gilt, wenn er für mindestens sechs Unternehmen tätig ist. Bei fünf oder weniger Auftraggebern besteht ein erhöhtes Risiko der Scheinselbstständigkeit.
Wer wird bei Scheinselbständigkeit bestraft?
Bei Scheinselbstständigkeit können sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmende bestraft werden. Der Auftraggeber muss in der Regel mit Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern rechnen. Bei vorsätzlichem Handeln drohen auch strafrechtliche Konsequenzen. Der Scheinselbstständige kann ebenfalls zur Nachzahlung von Steuern verpflichtet werden und muss möglicherweise zu Unrecht erhaltene Fördermittel zurückzahlen.
Für Selbstständige als Student:in oder Freiberufler:innen gelten die gleichen Regeln zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit. Es ist wichtig, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen im Klaren zu sein und die eigene Tätigkeit regelmäßig zu überprüfen, um nicht unbeabsichtigt in eine Scheinselbstständigkeit zu geraten.