Die Finanzierung des eigenen Start-ups ist die erste große Hürde, die Entrepreneurinnen und Entrepreneure überwinden müssen. Wer es schafft, Geldgeber von seiner Geschäftsidee zu überzeugen, kann schnell durchstarten und exponentiell wachsen. Im Jahr 2022 haben Gründer:innen in Deutschland Kapital im Gesamtwert von rund 9,9 Milliarden Euro beschafft.
Bootstrapping: So finanzieren Sie Ihr Start-up aus eigener Kraft
Doch so beeindruckend das Vertrauen namhafter Investor:innen auch ist, Venture Capital birgt einen Nachteil: Die finanzielle Abhängigkeit führt zu eingeschränkter Entscheidungsfreiheit, da die Geldgeber mit ihrem Kapital auch ein Mitbestimmungsrecht erwerben.
Definition: Was bedeutet Bootstrapping in der Start-up-Szene?
Wer unabhängig bleiben möchte, setzt daher auf Bootstrapping. Der Begriff leitet sich vom englischen Ausdruck "to pull oneself up by one's bootstraps" ab. Es bedeutet, sein Unternehmen ohne Fremdkapital und mit nur begrenztem Budget wie den eigenen Ersparnissen aufzubauen. Bootstrapper sind Selbststarter, die ihre Kreativität und Problemlösungskompetenz nutzen, um ihrem Start-up schnellstmöglich zur Rentabilität zu verhelfen. Ein Teil der generierten Einnahmen fließt anschließend in das Unternehmenswachstum.
Der Vorteil dieser Finanzierungsmethode: Freiheit und Kontrolle über das eigene Geschäft. Der Nachteil: Wer Bootstrapping wählt, braucht einen langen Atem und die Bereitschaft, jede freie Minute in das eigene Business zu investieren. Das Wachstum erfolgt in kleinen, aber konstanten Schritten. Oder, um es mit den Worten von US-Unternehmer Mark Cuban zu sagen: Es geht nicht um Geld oder Kontakte, sondern um den Willen, härter zu arbeiten und mehr zu lernen als alle anderen."
Wann ist Bootstrapping nicht sinnvoll?
Nicht jedes Start-up kann sich durch Bootstrapping finanzieren. Es gibt Branchen wie zum Beispiel die industrielle Fertigung, die hohe Anfangsinvestitionen für die Anschaffung von Maschinen oder die Anmietung von Fertigungsanlagen und Lagerstätten voraussetzen. Geschäftsbereiche wie diese eignen sich also nicht für das Bootstrapping-Modell. Auch für Businessideen, die ein schnelles Wachstum erfordern, bietet sich Bootstrapping nicht an, da eine Skalierung mit begrenztem Budget wie bereits erwähnt länger dauert als mit Venture Capital.
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Wie funktioniert ein Bootstrap-Business? Strategien und Tipps
Um Ihr Bootstrap-Business aus eigener Kraft zu finanzieren und erfolgreich aufzubauen, gibt es einige Strategien und Tipps, die Sie dabei unterstützen. Dazu gehören:
Wählen Sie ein gewinnbringendes Geschäftsmodell
Die Gewinnorientierung ist der Schlüssel zum Erfolg eines Bootstrap-Business, da der Ertrag in das Wachstum des Unternehmens zurückfließt. Sie sollten also ein Geschäftsmodell wählen, das für einen positiven Cashflow sorgt. Ein Beispiel sind Abonnementservices, die Ihnen regelmäßiges Einkommen und mehr Planbarkeit ermöglichen, anstatt auf ein Geschäftsmodell zu setzen, das auf Einzelverkäufe von Produkten ausgerichtet ist. Hierfür wird weitaus mehr Marketingbudget benötigt.
Erstellen Sie einen Businessplan
Sollten Sie sich für die Bootstrapping-Methode entscheiden, folgt zunächst die Erstellung eines Businessplans, der einen ausführlichen Finanzteil mit Prognosen und einer Break-even-Analyse enthält. Wie viel Kapital benötigen Sie, um Ihr Business zu starten und wofür werden Sie das Geld ausgeben? Welche Umsätze, Gewinne und Verluste erwarten Sie in den ersten 3 bis 5 Jahren?
Während der Anfangsphase können Sie Ihr Unternehmen vollständig durch die Mittel des Bootstrapping finanzieren, bis Sie (genügend) Einnahmen von Kundinnen und Kunden generieren. Grundsätzlich sollten Gründer:innen vorab klar definieren, wie die Gewinne eingesetzt werden. Ein Risiko besteht darin, Barmittel zu früh zu entnehmen, was das Wachstum des Unternehmens blockieren kann.
Behalten Sie Ihre Finanzen im Blick
Eröffnen Sie ein Geschäftskonto für Gründer:innen, um alle Geldströme immer im Auge zu behalten. So vermeiden Sie finanzielle Engpässe und können effektiv vorausplanen.
Entwickeln Sie ein Produkt, das sich nur schwer kopieren lässt
In seinem Manifesto The Bootstrapper's Bible rät Unternehmer Seth Godin, Produkte oder Services anzubieten, die so charakteristisch für Ihr Unternehmen sind, dass sie sich nur mit Mühe reproduzieren lassen. Denn eine erfolgreiche Idee, die leicht zu kopieren ist, kann von einem großen Unternehmen mit mehr Ressourcen umgesetzt und schneller skaliert werden. Godin empfiehlt daher, sich auf eine Nische zu konzentrieren und Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die eine Lösung für ein spezifisches Problem bieten.
Behalten Sie die volle Kostenkontrolle
Behalten Sie Ihren Cashflow jederzeit im Blick und gehen Sie kostenbewusst vor. Bei der Produktentwicklung können Sie sich zunächst auf ein qualitativ hochwertiges “Minimum Viable Product (MVP)” konzentrieren, das sich schnell am Markt etablieren lässt. So haben Sie die Möglichkeit, direkt Kundenfeedback zu sammeln und Ihr Produkt kontinuierlich zu verbessern.
Setzen Sie auf organisches Marketing
Anstatt Ihre knappen Ressourcen in Paid Ads und andere teure Marketingkampagnen zu investieren, setzen Sie stattdessen auf organische Verkaufsförderung und nutzen Sie zum Beispiel Content-Marketing und Influencer-Partnerschaften, um Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung bekannt zu machen. Organisches Marketing ist nachhaltiger als kostenpflichtige Anzeigen, da es die Sichtbarkeit Ihres Unternehmens langfristig steigert.
Im Vergleich dazu liefern Paid Ads nur so lange Aufmerksamkeit wie Sie dafür bezahlen. Organisches Wachstum stärkt auch Ihr Markenimage, da es glaubwürdiger wirkt, wenn Ihr Unternehmen beispielsweise durch SEO-Maßnahmen in der Suche bei Google auf der ersten Seite erscheint.
Investieren Sie in die Kundenbindung
Ein Vorteil eines Bootstrapping-Business im Vergleich zu exponentiell wachsenden Start-ups liegt in der Flexibilität, schnell auf das Feedback von Verbraucher:innen reagieren zu können. Diese Kundenorientierung zahlt sich langfristig aus, da zufriedene Kund:innen Ihr Produkt weiterempfehlen. Bootstrapper haben auch mehr Zeit, ihren Fokus auf die Produktentwicklung und Kundenbindung zu legen – im Gegensatz zu Start-up-Gründer:innen, die auf externe Finanzierung setzen und viel Zeit für die Verhandlung und Beziehungspflege mit Investor:innen aufwenden.
Bekannte Bootstrapper: Erfolgsgeschichten aus der Praxis
Es gibt zahlreiche Erfolgsgeschichten von Unternehmen, die diese Strategien in der Praxis angewendet und sich ausschließlich über die Bootstrapping-Methode finanziert haben. Zu den bekanntesten Beispielen gehören:
Patagonia
Gründer Yvon Chouinard startete das nachhaltige Outdoor-Unternehmen im Jahr 1974 unter dem Namen Chouinard Equipment, das sich zunächst auf den Verkauf von Kletterausrüstung konzentrierte, die Chouinard direkt aus einem Lieferwagen vertrieb. Während einer Reise nach Schottland kaufte er ein Baumwoll-Rugbyshirt zum Klettern, das so viel Aufmerksamkeit in seiner Heimat Ventura, Kalifornien erweckte, das er beschloss die Shirts in großen Mengen zu importieren, wofür er ausschließlich seine Ersparnisse nutzte.
Das Unternehmen wurde in Patagonia umbenannt und konnte im ersten Jahr trotz drohendem Konkurs aufgrund einer ausstehenden Lieferung erste Gewinne verzeichnen. Im Jahr 2022 verschenkte Chouinard sein Drei-Milliarden-Business an gemeinnützige Stiftungen im Kampf gegen den Klimawandel.
GoPro
Nick Woodman kam die Idee zur einer Actionkamera plus Zubehör für Sport- und Outdoor-Aktivitäten während eines Surftrips nach Australien. Er bemerkte, dass sich die Kameras, die Surfer:innen um ihre Handgelenke trugen, ständig lösten und verloren gingen. Aus dem Urlaub zurück nutzte er seine Ersparnisse im Wert von 35,000 US-Dollar und lieh sich zusätzliches Geld von seiner Mutter, um GoPro im Jahr 2002 zu gründen. Erst zehn Jahre später investierte der Technologiehersteller Foxconn 200 Millionen US-Dollar in das Bootstrap-Business. Im Jahr 2014 wurde der Unternehmenswert von GoPro auf 2,96 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Mailchimp
Ben Chestnut und Dan Kurzius gründeten den E-Mail-Service für kleine Unternehmen zunächst als Nebenprojekt im Rahmen ihrer Internetagentur Rocket Science Group. Chestnut entwarf das Logo, heute bekannt als Freddie der Affe, auf einem Post-it im Jahr 2008 und setzte den sterilen Softwareanwendungen ein digitales Produkt mit Persönlichkeit entgegen. Laut Chestnut und Kurzius wuchs Mailchimp aber vor allem, weil sie den Wunsch ihrer Kunden und Kundinnen erfüllten, Zugang zu einem professionellen und kostengünstigen E-Mail-Service zu haben, der das Wachstum kleiner Unternehmen fördert.
- Der Begriff Bootstrapping leitet sich vom englischen Ausdruck "to pull oneself up by one's bootstraps" ab. Es bedeutet, sein Unternehmen ohne Fremdkapital und mit nur begrenztem Budget wie den eigenen Ersparnissen aufzubauen.
- Der Vorteil dieser Finanzierungsmethode: Freiheit und Kontrolle über das eigene Geschäft. Der Nachteil: Wer Bootstrapping wählt, braucht einen langen Atem und die Bereitschaft, jede freie Minute in das eigene Business zu investieren.
- Nicht jedes Start-up kann sich durch Bootstrapping finanzieren. Es gibt Branchen wie zum Beispiel die industrielle Fertigung, die hohe Anfangsinvestitionen für die Anschaffung von Maschinen oder die Anmietung von Fertigungsanlagen und Lagerstätten voraussetzen. Geschäftsbereiche wie diese eignen sich also nicht für das Bootstrapping-Modell.
- Um Ihr Bootstrap-Business aus eigener Kraft zu finanzieren und erfolgreich aufzubauen, gibt es einige Strategien und Tipps, die Sie dabei unterstützen. Dazu gehören ein gewinnbringendes Geschäftsmodell, detaillierte finanzielle Planung, Kundenorientierung, Produkte, die sich nur schwer nachahmen lassen und besonders kostenbewusstes Wirtschaften.
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