Prokurist und Prokuristin
Der Ausdruck Prokura stammt von dem italienischen Procura, der Vollmacht, sowie dem lateinischen procurare, für etwas Sorge tragen, und berechtigt ihren Inhaber oder ihre Inhaberin Geschäfte und Rechtshandlungen eines Unternehmens zu tätigen.
Was ist ein Prokurist oder eine Prokuristin?
Der Prokurist oder die Prokuristin übernimmt bei Abwesenheit der Geschäftsführung oder zur Entlastung des Geschäftsführers dessen Aufgaben in Vertretung. So wird gewährleistet, dass ein Unternehmen jederzeit handlungsfähig bleibt.
Die Geschäftsführung überträgt die geschäftliche Vertretungsvollmacht oder Entscheidungsbefugnis, die sogenannte Prokura, auf einen oder mehrere seiner leitenden Angestellten und ermächtigt sie damit, nach innen und außen gerichtliche und außergerichtliche Geschäfte und Handlungen für ein Unternehmen auszuführen.
Ob die Vollmacht mündlich oder schriftlich erteilt wird, ist dabei nicht relevant. Die Vollmacht stammt aus dem Handelsrecht. Entsprechend werden alle Prokurist:innen im Handelsregister eingetragen werden. Die Bestimmungen zur Prokura und Handlungsvollmacht sind in den §§ 48 – 58 des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelt.
Welche Unternehmen dürfen Prokura erteilen?
Die Prokura ist eine handelsrechtliche Vollmacht und damit insbesondere auf Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches beschränkt. Ob ein Unternehmen sich durch einen Prokuristen oder eine Prokuristin vertreten lassen kann, hängt von seiner Rechtsform ab.
Kapitalgesellschaften wie die Aktiengesellschaft (AG), KGaA, GmbH oder UG, Personenhandelsgesellschaften wie die OHG, KG, GmbH & Co. KG sowie eingetragene Kaufleute dürfen Prokura erteilen.
Gewerbetreibende, die nicht im Handelsregister eingetragen sind, Freiberufler:innen, Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), Partnergesellschaften sowie eingetragene Vereine dürfen keine Prokura erteilen.
Wer darf Prokura erteilen?
Die Prokura kann nur vom Inhaber oder der Inhaberin eines Unternehmens oder seinem gesetzlichen Vertreter oder der Vertreterin ausdrücklich erteilt werden und ist nicht übertragbar.
Welche Arten der Prokura gibt es?
Die Prokura kann im Innenverhältnis beschränkt werden. Im Außenverhältnis sind Prokurist:innen aber uneingeschränkt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen ermächtigt. Eine Ausnahme bildet lediglich die Filialprokura. Allerdings sind Unterschiede in der Gestaltung der Prokura als handelsrechtliche Vollmacht möglich.
Die einfachste Form ist die Einzelprokura, bei der der Prokurist oder die Prokuristin eigenständig vertretungsberechtigt ist. Das heißt, sie üben ihre Befugnisse aus, ohne mit anderen Prokurist:innen zusammenzuarbeiten oder sich mit ihnen abzustimmen.
Bei der Gesamtprokura hingegen handelt es sich um eine Vollmacht, die von der Geschäftsführung an mehrere Prokurist:innen erteilt wurde, die ihre Befugnisse aber ausschließlich gemeinsam wahrnehmen dürfen. Mit dieser Variante der Prokura soll sichergestellt werden, dass bestimmte Handlungen abgesprochen werden. So werden Entscheidungen und Handlungen, die im Interesse eines einzelnen Prokuristen oder einer einzelnen Prokuristin aber nicht im Interesse des Unternehmens liegen, vermieden werden.
Die Filialprokura schränkt die Handlungsvollmacht des Prokuristen oder der Prokuristin auf eine bestimmte Niederlassung oder einen festgelegten Bereich eines Unternehmens.
Im Gegensatz dazu berechtigt die Generalprokura den Prokuristen oder die Prokuristin dazu, sämtliche Filialen, Geschäftsstellen oder Zweigstellen eines Unternehmens zu vertreten.
Wie wird man Prokurist:in?
Voraussetzungen für die Ernennung zum Prokuristen oder zur Prokuristin ist, dass es sich um eine natürliche vollgeschäftsfähige Person handelt, die Mitarbeiterin oder Mitarbeiter des Unternehmens ist. Ansonsten bedarf es keiner speziellen Ausbildung, um Prokurist:in zu werden.
Da der Prokurist oder die Prokuristin aber die Geschäftsführung in allen anfallenden Aufgaben vertritt oder sie entlastet und es sich zu dem um eine besonders verantwortungsvolle Position handelt, müssen sie dennoch bestimmte Kompetenzen und persönliche Qualifikationen mitbringen. In der Regel werden leitende Angestellte mit einer kaufmännischen Ausbildung oder einem betriebswirtschaftlichen Studium, die bereits über mehrere Jahre Berufserfahrung Verfügungen und das Vertrauen der Geschäftsführung genießen, zum Prokuristen oder zur Prokuristin ernannt.
Was verdient an als Prokurist:in?
Der Prokurist oder die Prokuristin bekleidet in der Regel bereits eine leitende Position im Unternehmen. Das Gehalt als Prokurist:in hängt also zum einen von dieser Position, zum anderen von der Berufserfahrung, der Größe des Unternehmens, dem Sitz des Unternehmens und auch von der Branche ab. Laut der Online-Jobplattform StepStone liegt das Durchschnittsgehalt eines Prokuristen oder einer Prokuristin bei 70.800 €.
Welche Aufgaben haben Prokurist:innen?
Der Prokurist oder die Prokuristin fungiert als Stellvertreter:in des Unternehmens und und ist nur der Geschäfts- oder der Gesellschaftsführung überstellt. Er oder sie repräsentiert und vertritt die Geschäftsführung in allen geschäftlichen, organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Belangen. Seine oder ihre Befugnisse beziehen sich dabei auf sämtliche Bereiche eines Unternehmens wie die Finanzierung, Versicherung, Beschaffung, Produktion und Vertrieb. Handlungen, die das Arbeitsrecht betreffen wie Einstellungen oder Kündigungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, können ebenfalls in die Zuständigkeit eines Prokuristen oder einer Prokuristin fallen.
Was dürfen Prokurist:innen?
Die Vertretungsmacht eines Prokuristen oder einer Prokuristin umfasst die üblichen Rechtsgeschäfte. Das heißt, sie dürfen insbesondere:
- den gesamten Geschäftsverkehr führen
- Verbindlichkeiten eingehen
- das Unternehmen gegenüber anderen Gesellschaften vertreten
- Unternehmen und Unternehmensanteile kaufen
- Niederlassungen gründen und schließen
- Kredite aufnehmen und vergeben
- Schenkungen durchführen
- Wechsel zeichnen
- Prozesse führen
- Vergleiche schließen
- Arbeitsverträge abschließen und Arbeitsverhältnisse kündigen
- Handlungsvollmachten an Angestellte vergeben, die einen geringeren Umfang als die eigene Prokura aufweisen
Wer als Prokurist:in auftritt, handelt in Vertretung der Geschäftsführung. Entsprechend wird der Unterschrift im Schriftverkehr immer der Zusatz „ppa“ (lat. per procura) hinzugefügt.
Was dürfen Prokurist:innen nicht?
Im Gegensatz zu Inhaber:innen oder Geschäftsführer:innen eines Unternehmens sind dem Handlungsspielraum von Prokurist:innen Grenzen gesetzt. Sie dürfen keine Rechtshandlungen vornehmen, die das Wesen eines Unternehmens verändern oder darauf ausgerichtet sind, ein Unternehmen aufzulösen oder zu verkaufen. Firmeneigene Grundstücke dürfen sie nur belasten oder verkaufen, wenn die Geschäftsführung ihm ausdrücklich den Auftrag dazu erteilt hat. Des Weiteren dürfen sie nicht:
- Steuererklärungen unterzeichnen
- das Inventar oder Bilanzen unterzeichnen
- Insolvenz beantragen
- neue Gesellschafter:innen aufnehmen
- Handelsregistereinträge veranlassen
- Eide leisten
- Prokura erteilen
Wie haften Prokurist:innen?
Prokurist:innen tragen viel Verantwortung und damit auch ein erhöhtes Risiko. Für die persönliche Haftung bei Prokurist:innen gelten im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses Sonderregelungen.
Die Haftung ist eingeschränkt, wenn der Schaden während der Arbeitszeit entsteht. Zudem ist entscheidend, in welchem Umfang der Schaden selbst verschuldet wurde. Man unterscheidet hier wie bei allen anderen Angestellten ebenfalls zwischen leichter, mittlerer und grober Fahrlässigkeit. Der Prokurist oder die Prokuristin haftet allerdings auch gegenüber den Geschäftspartner:innen des Unternehmens und sichern sich daher meist zusätzlich ab.
Prokura entziehen
Die Prokura kann jederzeit frei durch Geschäftsinhaber:in oder die gesetzlichen Vertreter:innen widerrufen werden. Nur sie sind berechtigt, dem Prokuristen oder der Prokuristin die Vollmacht zu entziehen.
Die Prokura kann vom Prokuristen oder der Prokuristin selbst weder zurückgeben noch widerrufen werden. Der Entzug der Prokura muss dem Handelsregister gemeldet werden.
Wann erlischt die Prokura?
Wird die Prokura nicht widerrufen, ist sie zeitlich unbegrenzt gültig. Sie erlischt allerdings automatisch mit der Kündigung bzw. dem Ende des Arbeitsverhältnisses des Prokuristen sowie in weiteren Fällen:
- Einstellung des Geschäftsbetriebs
- Insolvenz des Unternehmens
- Wechsel in eine Rechtsform, die nicht zur Erteilung der Prokura berechtigt
- der Prokurist oder die Prokuristin gründet oder übernimmt ein eigenes Handelsunternehmen
- der Prokurist oder die Prokuristin verliert die Geschäftsfähigkeit
- der Prokurist oder die Prokuristin stirbt