Die Angst vor dem Scheitern ist ein allgegenwärtiger Faktor, der nicht nur Unternehmer:innen, sondern auch ihre Teams beeinflussen kann. Von der Kapitalbeschaffung bis zur Produktentwicklung, von der Teamzusammenarbeit bis zur Präsentation vor Kund:innen oder Investor:innen – Versagensängste können sowohl das Risikoverhalten der Führungskräfte als auch die Produktivität und das Wohlgefühl der Mitarbeitenden negativ beeinflussen.
Doch wie gut verstehen wir eigentlich die Angst zu versagen, die so gut wie jedem schon mal begegnet ist? Hier erfahren Sie mehr über die Angstsymptome, ihre Ursachen und mögliche Verhaltensstrategien zum besseren Umgang mit dieser. Denn der erste Schritt zur Bewältigung der Versagensangst, egal in welcher Position man sich befindet, ist ein tiefgehendes Verständnis ihrer Dynamik.
Definition: Was versteht man unter Versagensangst?
Versagensangst ist eine weitverbreitete Emotion, die so gut wie jeder von uns in unterschiedlichen Lebensphasen und Kontexten spürt. Dahinter steckt die grundlegende Furcht, in einer bestimmten Situation nicht die erwartete Leistung zu erbringen. Während man im Arbeitskontext oft denken könnte, dass dieser Druck ausschließlich von externen Faktoren wie z.B. Vorgesetzten oder Marktstandards kommt, ist die Realität häufig komplexer. Versagensängste entstehen in der Regel aus unseren eigenen, inneren Erwartungen an uns selbst und können sich selbst in Situationen manifestieren, die für Außenstehende unproblematisch erscheinen mögen.
Doch was passiert, wenn diese Versagensängste ein so dominantes Ausmaß annehmen, dass sie uns lähmen und unsere Handlungsfähigkeit einschränken? In diesen Fällen kann die Versagensangst zu einer ernsthaften Störung werden und sogar den Bereich der "normalen" Angst verlassen. Der Fachbegriff für eine krankhafte Ausprägung ist in diesem Zusammenhang die "Kakorrhaphiaphobie". Die Auswirkungen können so weitreichend sein, dass sie in verschiedenen Lebensbereichen, wie z.B. Beziehungen, beruflichen Herausforderungen oder sogar in der allgemeinen Arbeitsfähigkeit, einschränken.
In der medizinischen Diagnostik stellt Versagensangst keine eigenständige Erkrankung dar, kann jedoch als Symptom für verschiedene Arten von Phobien und Angststörungen diagnostiziert werden. Zum Beispiel könnte es als soziale Phobie oder sonstige phobische Störung klassifiziert werden, je nachdem, welche weiteren Symptome auftreten. Es ist also wichtig, dieses komplexe Phänomen im Kontext zu betrachten und bei einer starken Ausprägung professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Sind Versagensängste normal?
Es ist vollkommen normal, dass Menschen in verschiedenen Lebenssituationen – ob beruflich oder privat – Angst vor dem Scheitern haben. Doch wie viel Angst ist "normal" und ab wann wird sie problematisch? Die einfache Antwort lautet: Versagensängste sind in einem gewissen Maß normal und sogar nützlich. Sie können als Motivator dienen, uns besser auf Herausforderungen vorzubereiten. Das Dilemma beginnt aber, wenn diese Ängste so überwältigend werden, dass sie uns in unserem Alltag einschränken und behindern.
Mit zunehmendem Alter nimmt oftmals die Sorge um die Meinungen und Erwartungen anderer zu. Diese Dynamik lässt Versagensängste leichter entstehen und wachsen. Dabei setzen wir häufig selbst die höchsten Maßstäbe und sind unsere schärfsten Kritiker:innen. Das kann zu einem Teufelskreis führen, in dem die Angst vor dem Scheitern so lähmend wird, dass wir größere Herausforderungen vermeiden.
Die Folge ist nicht nur eine Karriere-Stagnation, sondern auch ein unsicheres Auftreten, das von anderen fälschlicherweise als Inkompetenz interpretiert werden kann. Dabei wird oft vergessen, dass eine gesunde Fehlerkultur ein integraler Bestandteil des Lernens und des persönlichen Wachstums ist.
Gelegentliche Versagensängste sind also ein ganz normaler Bestandteil des Lebens und können sogar leistungsfördernd wirken. Problematisch werden sie erst, wenn sie zur Regel statt zur Ausnahme werden und unser Leben in verschiedenen Bereichen stark einschränken.
Symptome: Wie äußert sich Versagensangst?
Die Angst zu versagen ist keine Seltenheit, insbesondere im unternehmerischen Kontext. Sie können während der Unternehmensgründung, in kritischen Projektphasen, bei der Präsentation neuer Ideen oder während der Interaktion mit Mitarbeiter:innen und Kund:innen auftreten. Manchmal äußern sich diese Ängste erst subtil und werden möglicherweise nicht sofort als solche erkannt. Daher ist es wichtig, die verschiedenen Symptome von Versagensangst zu verstehen. Diese können körperlicher und psychischer Natur sein:
Körperliche Symptome
- Herzklopfen oder Herzrasen: Ein starkes, pochendes Gefühl im Brustbereich, das Sie nicht ignorieren können.
- Schweißausbrüche: Ungeklärtes Schwitzen, oft in Momenten, in denen man sich eigentlich ruhig fühlen sollte.
- Atemnot: Schwierigkeiten beim Atmen, oft verbunden mit einem Gefühl der Enge im Brustbereich.
- Magen-Darm-Beschwerden: Übelkeit, Durchfall oder andere Verdauungsprobleme, die ohne erkennbare medizinische Ursache auftreten.
- Schlafstörungen: Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen, oft begleitet von nächtlichen Sorgen oder Albträumen.
- Muskelverspannungen: Anhaltende körperliche Anspannung, oft im Nacken- und Schulterbereich.
Alle diese Symptome können isoliert oder in Kombination auftreten und sind Indikatoren für eine erhöhte Stressbelastung, die durch Versagensangst getriggert werden könnte.
Psychische Symptome
- Konzentrationsprobleme: Schwierigkeiten, sich auf eine Aufgabe zu fokussieren, oft begleitet von einem Gefühl der Überforderung.
- Gefühl der Benommenheit: Das Gefühl, „wie in Watte“ gepackt zu sein und nicht klar denken zu können.
- Denkblockaden: Schwierigkeiten, klare Gedanken zu fassen oder Entscheidungen zu treffen, bis hin zu einem völligen ”Blackout".
- Fluchtgedanken: Ein intensives Bedürfnis, einer herausfordernden Situation zu entkommen, ohne sie zu bewältigen.
- Prokrastination: Das Aufschieben wichtiger Aufgaben, oft als Bewältigungsmechanismus für die zugrunde liegende Angst.
Machen Sie den persönlichen Test
Wenn Sie den Verdacht haben, an Versagensangst zu leiden, kann ein einfacher Selbsttest ersten Aufschluss darüber geben. Überlegen Sie:
- Vermeiden Sie aktiv neue Herausforderungen aus Angst vor dem Scheitern?
- Ist es Ihnen übermäßig wichtig, Fehler um jeden Preis zu vermeiden?
- Fühlen Sie sich als Person wertlos, wenn Sie in einer Aufgabe versagen?
- Neigen Sie dazu, schwierige Aufgaben aufzuschieben oder ganz zu vermeiden?
- Haben Sie Bedenken, anderen Ihre Arbeit oder Ideen zu zeigen?
- Fällt es Ihnen schwer, Entscheidungen zu treffen?
- Überprüfen Sie Ihre Arbeit exzessiv, selbst wenn es nicht notwendig ist?
- Fühlen Sie sich oft überwältigt, selbst wenn die Aufgaben objektiv machbar sind?
- Vermeiden Sie es, in der Öffentlichkeit zu sprechen oder Ihre Meinung zu äußern?
- Befürchten Sie, dass andere Ihre Unzulänglichkeiten erkennen könnten?
Wenn Sie auf den Großteil dieser Fragen mit „Ja“ antworten, könnte dies ein Anzeichen dafür sein, dass Sie für Versagensängste anfällig sind. Je mehr Sie allerdings über die Symptome und Anzeichen von Versagensängsten wissen, desto besser können Sie Strategien entwickeln, um diese Ängste zu bewältigen.
Ursachen: Woher kommen meine Versagensängste?
Versagensängste können ein sehr komplexes Phänomen sein und ihren Ursprung in verschiedenen Lebensphasen oder Erfahrungen haben. Nicht selten beginnt die Prägung schon in der Kindheit. Wenn beispielsweise Eltern oder Lehrkräfte hohe Erwartungen stellen und Liebe sowie Anerkennung an Leistungen knüpfen, kann das die Grundlage für spätere Versagensängste legen. Auch im Berufsleben setzen sich diese Muster häufig fort: Der Druck, stets Höchstleistungen zu erbringen, kann selbst bei gestandenen Unternehmer:innen und Selbstständigen zu der Sorge führen, "nicht mithalten zu können".
Dazu kommt - gerade in der deutschen Gründerszene - die unrealistische Erwartungshaltung der Gesellschaft, dass ein unternehmerisches Scheitern ein persönliches Versagen ist. Es wird nur über die Unternehmen gesprochen, die eine rasante Entwicklung nehmen und erfolgreich sind, während kleinere Unternehmungen oder gar gescheiterte Konzepte unter dem Radar bleiben. Dabei können wir aus diesen Fehlern so viel lernen und mitnehmen. Ein gutes Gegenbeispiel sind in diesem Zusammenhang die “Fuckup-Nights”, bei denen “gescheiterte” Gründer:innen über ihre Fehler und Herausforderungen berichten.
Psychologisch gesehen sind bei Versagensängsten häufig zwei Denkmuster im Spiel: "Aufgeregtheit" und "Besorgtheit". Diese emotionalen Zustände führen dazu, dass man sich in angstauslösenden Momenten weniger auf die zu bewältigende Aufgabe, sondern mehr auf die eigene Anspannung fokussiert. Dies wiederum beeinträchtigt die Leistung und verstärkt die Angst vor dem Scheitern.
Darüber hinaus sind Versagensängste oft mit einem instabilen Selbstbild und geringem Selbstwertgefühl verknüpft. Die eigentliche Angst zielt weniger auf das Scheitern selbst, sondern vielmehr darauf, nicht den Erwartungen anderer oder des eigenen Perfektionsanspruchs gerecht zu werden. Man fürchtet gesellschaftliche Ablehnung, den Verlust wichtiger Beziehungen oder das Scheitern des eigenen Selbstbildes.
In der heutigen Zeit können auch externe Faktoren, wie z.B. die rasante technologische Entwicklung oder globale Herausforderungen wie die Corona-Pandemie, zusätzlichen Druck erzeugen. Sie tragen dazu bei, dass sich Menschen in ihrer Leistungsfähigkeit unsicher fühlen, was wiederum Versagensängste schüren kann.
Das Bewusstsein für genau diese Mechanismen ist ein erster wichtiger Schritt zur Überwindung der Versagensängste. Denn nur wer die Ursachen kennt, kann effektiv an Lösungen arbeiten.
Was ist das beste Mittel gegen Angststörungen?
Wenn es um die Behandlung von Angststörungen geht, gibt es leider keine universelle Lösung, die für alle gleichermaßen funktioniert. Die Wissenschaft bietet jedoch verschiedene Behandlungsansätze, die einzeln oder in Kombination zum Einsatz kommen können. Dazu gehören grundsätzlich Medikamente, Psychotherapie und Bewegung.
Im Bereich der Medikation stehen unterschiedliche Wirkstoffklassen zur Verfügung: Antidepressiva, wie Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), sind oft die erste Wahl. Diese beeinflussen Neurotransmitter im Gehirn und können die Symptome der Angst lindern. Allerdings zeigen sie ihre volle Wirkung oft erst nach mehreren Wochen und können zu Beginn Nebenwirkungen wie z.B. Unruhe oder Übelkeit mit sich bringen. Andere Medikamentenklassen, wie z.B. Benzodiazepine oder Betablocker, sind ebenfalls verfügbar, werden jedoch aufgrund unterschiedlicher Risikoprofile und Wirkungsweisen selektiver eingesetzt.
Die Medikation alleine ist jedoch meist nicht ausreichend. Fachleute empfehlen eine Kombination aus Medikamenten, Psychotherapie und Bewegung für ein ganzheitliches Therapiekonzept. Jede Person reagiert unterschiedlich auf die Behandlung, daher ist es wichtig, dass der Therapieplan individuell angepasst wird. Eines sollte jedoch unbedingt beachtet werden: Medikamente sollten nur unter ärztlicher Aufsicht und in Absprache mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt eingenommen werden, um mögliche Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen zu minimieren.
Insgesamt ist es folglich eine Kombination aus medikamentöser Unterstützung und Lebensstilveränderungen, die die besten Chancen bietet, Angststörungen effektiv zu behandeln. Ein umfassender, individueller Ansatz unter ärztlicher Anleitung ist daher der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie.
Angst vor der Arbeit: Mit diesen 10 Tipps überwinden Sie Versagensängste im Job
Der Gedanke an den bevorstehenden Arbeitstag oder an eine bestimmte Aufgabe löst in Ihnen Unbehagen aus und das Herz fängt an schneller zu schlagen? Sie haben Angst vor Fehlern im beruflichen Kontext? Keine Sorge: Wenn ja, sind Sie damit nicht allein. Versagensängste im Berufskontext sind weit verbreitet und können nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Karriere beeinträchtigen. Doch es gibt Wege, diese Ängste zu bewältigen. Die folgenden zehn Tipps bieten Ihnen eine Orientierungshilfe, um effektiv gegen Versagensängste vorzugehen und Ihr Berufsleben mit mehr Selbstsicherheit und weniger Sorgen anzugehen.
- Akzeptanz statt Verdrängung: Versuchen Sie, Ihre Ängste nicht einfach zu ignorieren. Anstatt sie zu bekämpfen, akzeptieren Sie sie als Teil Ihres emotionalen Spektrums und nutzen Sie sie als Anlass für Selbstreflexion.
- Erwartungen überprüfen: Hinterfragen Sie, welche Erwartungen – Ihre eigenen und die anderer – zu Ihren Ängsten beitragen. Sind sie überhaupt realistisch? Das kann Ihre mentale Widerstandskraft und innere Stärke fördern.
- Risiken realistisch einschätzen: Visualisieren Sie die Konsequenzen eines möglichen Scheiterns. Oft ist die realistische Einschätzung wesentlich weniger dramatisch als die Vorstellung. Was wäre das schlimmste Szenario, wenn Sie scheitern?
- Offener Austausch: Sprechen Sie mit Freunden und Vertrauten über Ihre Ängste. Externe Perspektiven können wertvollen Input liefern, jedoch sollte natürlich die Diskretion im beruflichen Kontext gewahrt bleiben.
- Sich der Angst stellen: Erproben Sie Ihre Grenzen in kontrollierten Situationen. Der erste Schritt ist meist der schwierigste, aber Übung schafft Selbstvertrauen.
- Chemische Beruhigungsmittel meiden: Medikamente oder Alkohol sind keine dauerhafte Lösung und können eine Abhängigkeitsspirale verursachen.
- Physischen Ausgleich schaffen: Sport und Bewegung können dabei helfen, Stresshormone abzubauen und das geistige Wohlbefinden zu steigern.
- Fachkundige Unterstützung suchen: Wenn die Ängste übermächtig werden, kann professionelle Hilfe sinnvoll sein. Ein Coach oder ein:e Therapeut:in kann individuelle Strategien erarbeiten.
- Selbstreflexion durch Journaling: Schreiben Sie Ihre Gedanken und Ängste nieder. Das Schreiben kann helfen, Ihre Emotionen besser zu verstehen und zu verarbeiten.
- Techniken zur Selbstberuhigung: Atmen Sie tief durch und nutzen Sie z.B. die Emotional Freedom Technique oder andere Entspannungsverfahren, um Ihr Nervensystem zu beruhigen. In diesem Zusammenhang kann auch autogenes Training helfen, um die emotionalen und physischen Symptome von Stress und Angst zu mildern.
Wenn Sie die genannten Tipps umsetzen, werden Sie feststellen, dass Ihre Versagensängste im Job weniger einschüchternd sein können als bisher angenommen. Der Schlüssel liegt in der bewussten Auseinandersetzung mit der Angst und in der Entwicklung von Bewältigungsstrategien. Machen Sie den ersten Schritt – für ein selbstbestimmteres und angenehmeres Berufsleben.
- Versagensangst ist die Furcht, nicht die erwartete Leistung in einer bestimmten Situation zu erbringen. Sie ist ein weitverbreitetes Phänomen und kann in extremen Fällen sogar zu einer ernsthaften Störung werden.
- Ein gewisses Maß an Versagensangst ist normal und kann als Motivator dienen. Sie wird problematisch, wenn sie Ihre Handlungsfähigkeit einschränkt und verschiedene Lebensbereiche beeinträchtigt.
- Die Ursachen für Versagensängste können vielfältig sein, beginnend in der Kindheit oder durch äußere Erwartungen. Sie sind oft mit einem instabilem Selbstbild und einem geringen Selbstwertgefühl verbunden.
- Die Angst zu versagen kann verschiedene körperliche und psychische Symptome hervorrufen. Obwohl sie keine eigenständige Erkrankung ist, kann sie als Symptom für verschiedene Arten von Angststörungen diagnostiziert werden.
- Es gibt keine universelle Lösung, aber eine Kombination aus Medikation, Psychotherapie und Bewegung wird oft empfohlen. Die Therapie sollte individuell angepasst werden.