Das deutsche Umsatzsteuerrecht legt fest, dass ein leistendes Unternehmen die Umsatzsteuer für Geschäfte im Inland von seinen Kundinnen und Kunden einholen und an das Finanzamt abführen muss. Bei Geschäften mit Unternehmen, deren Sitz sich im EU-Ausland befindet, tritt das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren in Kraft.
Reverse-Charge-Verfahren: Umkehrung der Steuerschuldnerschaft
Was ist das Reverse-Charge-Verfahren?
Beim Reverse-Charge-Verfahren handelt es sich um eine Sonderregelung der Umsatzsteuer (engl. value added tax bzw. VAT), die die Umsatzsteuerschuldnerschaft bei grenzüberschreitenden Lieferungen umdreht. Das bedeutet, dass nicht die leistende Unternehmerin oder Unternehmer die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen muss, sondern die Kundin oder der Kunde selbst. Dazu benötigen beide Unternehmen eine USt-Identifikationsnummer.
Unternehmerinnen und Unternehmer dürfen die Umsatzsteuer beim Reverse-Charge-Verfahren nicht auf Rechnungen ausweisen. Darüber hinaus sind sie dazu verpflichtet, Kundinnen und Kunden mit der Angabe Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf ihre Steuerschuldnerschaft hinzuweisen. Die Rechtsgrundlage bildet in Deutschland § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG).
Kundinnen und Kunden profitieren von dem Vorteil, dass sie nach dem Reverse-Charge-Verfahren zwar die Umsatzsteuer für den jeweiligen Erwerb tragen müssen, diese aber gleichzeitig über den Vorsteuerabzug geltend machen können.
Darüber hinaus erleichtert das Reverse-Charge-Verfahren Geschäfte im EU-Ausland, den sogenannten innergemeinschaftliche Lieferungen, sowohl für Unternehmen als auch für die Finanzämter. Vor Einführung des Verfahrens kam es immer wieder zu Missbrauch durch Unternehmen: So wurde die fällige Umsatzsteuer zwar nicht abgeführt, die Vorsteuer aber trotzdem geltend gemacht.
Um die Besteuerung im Empfängerstaat sicherzustellen, haben die EU-Länder zentrale Behörden eingerichtet, die die entsprechenden Daten untereinander austauschen. In Deutschland übernimmt das Bundeszentralamt für Steuern diese Aufgabe.
Die Unternehmen sind verpflichtet, die Behörden hier zu unterstützen und alle EU-weiten Geschäftsvorgänge in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) anzugeben.
Wer ist zur Anwendung des Verfahrens verpflichtet?
Das Reverse-Charge-Verfahren wird in der Regel bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorgängen angewandt, kommt aber nur dann zum Einsatz, wenn es sich beim Leistungsempfangenden um ein Unternehmen oder eine juristische Person handelt.
Zwingend anzuwenden ist es bei allen Geschäften, die in § 13b Abs. 2 UStG festgehalten sind. Dazu gehören unter anderem:
- Grenzüberschreitende Werklieferungen innerhalb der EU
- Umsätze, die unter das Grunderwerbssteuergesetz fallen
- Gebäudereinigung
- Goldlieferungen
- Bauleistungen
- Lieferung von Elektronik
Das Reverse-Charge-Verfahren wird mittlerweile in der gesamten EU bei grenzüberschreitenden Geschäften genutzt. Dabei gelten von Land zu Land unterschiedliche Regelungen. So fallen beispielsweise in der Schweiz Beratungsleistungen unter das Reverse-Charge-Verfahren. Lieferungen, die in einem Land vom Reverse-Charge-Verfahren betroffen sind, können in einem anderen davon befreit sein.
Umsatzsteuerbefreite Unternehmen
Was sind die Grundsätze des Reverse-Charge-Verfahren?
Als Unternehmerin oder Unternehmer ist Ihnen der Vorgang klar: Auf jede ausgeführte Dienstleistung oder gelieferte Ware wird in Deutschland, ob bei Privatkäufen oder Geschäftskäufen, die Umsatzsteuer aufgeschlagen, die der Kundin oder dem Kunden in Rechnung gestellt wird. Diese wird dann von der Leistungserbringerin oder dem Leistungserbringer an das Finanzamt abgeführt, denn sie sind die Steuerschuldner.
Die Grundsätze des Reverse-Charge-Verfahren sehen vor, dass die Steuerschuldnerlast bei Geschäftsvorfällen im Ausland bei bestimmten Leistungen auf die Leistungsempfängerin oder den Leistungsempfänger übergeht. Somit erhalten nicht Sie die Steuerschuld, sondern das Unternehmen, das Ihre Leistungen oder Waren bezieht. Auch führt das Unternehmen selbst die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Sie müssen die Rechnungen dann netto erstellen.
Diese Geschäftsvorfälle müssen dann monatlich oder quartalsweise von Ihnen bei dem Bundeszentralamt für Steuern gemeldet werden. Die Kundin oder der Kunde können wiederum die Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen.
Grundvoraussetzung dabei ist wie schon erwähnt, dass beide Unternehmen eine USt-Identifikationsnummer besitzen.
Somit wird klar, dass das Reverse-Charge-Verfahren insbesondere für den Onlinehandel eine große Bedeutung hat. Denn sobald beispielsweise Waren von einem Unternehmen zum anderen die Grenzen überschreiten, kann das Reverse-Charge-Verfahren greifen.
Wen betrifft das Reverse-Charge-Verfahren?
Unternehmen, die ausschließlich im Inlandsgeschäft tätig sind, brauchen sich nicht weiter mit dem Verfahren des Reverse-Charge, den Hintergründen oder den Regelungen beschäftigen. Sie sind nicht von der Regelung betroffen.
Wer seine Leistungen aber nicht nur in Deutschland erbringt, wird bei vielen Geschäften mit Reverse-Charge konfrontiert werden.
- Bei Geschäften mit anderen Unternehmungen aus dem europäischen Ausland – speziell in der EU – gehört Reverse-Charge zum täglichen Standard.
- Außerdem ist es bei Werkleistungen für im Ausland ansässigen Kundinnen und Kunden eine notwendige, verbreitete Praxis.
- Das deutsche UStG oder Umsatzsteuergesetz beschränkt das Verfahren jedoch ausschließlich auf den B2B-Bereich.
- Dort ist es zwar nicht grundsätzlich verpflichtend, aber in § 13 UStG für eine ganze Reihe von Unternehmensleistungen fest vorgeschrieben.
Vorteile des Reverse-Charge-Verfahrens
Der große Vorteil des Reverse-Charge-Verfahrens ist, dass Sie zwar als Unternehmerin oder Unternehmer die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen müssen, den Betrag aber direkt als Vorsteuer wieder geltend machen können.
Auch müssen Sie den bürokratischen Aufwand durch die zusammenfassenden Meldungen an das Bundeszentralamt für Steuern leisten. In der Regel übernimmt das die Steuerberaterin oder der Steuerberater für Sie problemlos und automatisch.
Dennoch werden bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen oder Waren durch das Reverse-Charge-Verfahren jegliche Verwaltungsarbeiten gering gehalten. So spart man sich unter anderem die Mühe, Geschäftsprozesse an das im Land zuständige Finanzamt zu übermitteln.
Aus Sicht des Finanzamtes hat das Reverse-Charge-Verfahren den Vorteil, dass Steueransprüche im Ausland nicht mehr vollstreckt werden müssen.
Profitieren Sie von smarter Rechnungsstellung und sparen Sie wertvolle Zeit – mit Qonto.
Wie funktioniert das Reverse-Charge-Verfahren in der Praxis?
Das Reverse-Charge-Verfahren funktioniert in der Praxis folgendermaßen: Ein deutsches Unternehmen verkauft beispielsweise an ein Unternehmen in einem anderen EWR-Land Waren im Gesamtwert von 10.000 €. Das deutsche Unternehmen stellt die Rechnung in netto aus und schlägt die Umsatzsteuer nicht drauf, verweist aber in der Rechnung, dass die Steuerschuldnerlast auf den Leistungsempfangenden übergeht. Die ausländische Firma muss die Umsatzsteuer in dem Fall an das Finanzamt überweisen, kann sie jedoch als Vorsteuer geltend machen.
Verpflichtend ist das Reverse-Charge-Verfahren bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen nicht zwangsläufig. Ausnahmen sind Katalogleistungen, Werkleistungen oder innergemeinschaftliche Beförderungsleistungen.
Mit einem eigenen Geschäftskonto wie dem von Qonto haben Sie Ihre Finanzen und auch Ihre im Ausland getätigten Käufe und Verkäufe immer im Blick. Auch in puncto Buchhaltung bietet Ihnen das Online-Geschäftskonto eine Reihe von innovativen Lösungen. Sparen Sie sich noch mehr Zeit und Nerven, denn durch die Synchronisierung des Kontos mit Ihrer Buchhaltungssoftware werden selbst das Dokumentieren von Belegen sowie die Meldung der Umsatzsteuer in wenigen Schritten durchgeführt.
Checkliste für das Reverse-Charge-Verfahren
Obwohl das Reverse-Charge-Verfahren europaweit Anwendung findet, sind die Bestimmungen der Länder zum Teil unterschiedlich. Bei Unklarheiten ziehen Sie am besten Ihre Steuerberatung hinzu, bevor Sie riskieren, auf der Steuerlast sitzen zu bleiben.
Grundsätzlich können Sie sich an den folgenden Punkten orientieren:
- Fällt ein Geschäft unter die Regelungen des § 13 b Abs. 2 UStG? Dann führt die Leistungsempfängerin oder der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer ab und kann sie als Vorsteuer absetzen.
- Das leistende Unternehmen muss auf der Nettorechnung den Hinweis zum Reverse-Charge-Verfahren ausführen.
- Die Reverse-Charge-Rechnung muss sowohl Ihre als auch die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Ihres Kunden enthalten.
- Das Reverse-Charge-Verfahren kann in länderübergreifenden Geschäftsprozessen den bürokratischen Aufwand um einiges erleichtern.
- Die Steuerlast wird von der Leistungserbringerin oder dem Leistungserbringer auf die Leistungsempfängerin oder den Leistungsempfänger überschrieben.
- Die fälligen Steuern können wiederum als Vorsteuer geltend machen.
- Ein Vorteil, der nicht nur für die jeweiligen Geschäftspartner besteht, sondern auch dem Finanzamt den Aufwand erleichtert.
Stellen Sie Ihre Rechnungen zentral mit Qonto und werden Sie schneller bezahlt.