Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen ist es sehr aufwendig und mit hohen Kosten verbunden, Tochtergesellschaften im europäischen Ausland zu gründen. Um KMU den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu erleichtern, sollten mit der Societas Privata Europaea (SPE) oder Societas Unius Personae (SUP) neue Rechtsformen geschaffen werden, die Vorschriften im Gesellschaftsrecht und Gründungsmöglichkeiten innerhalb Europas vereinheitlichen sollten. Die Einführung dieser beiden europäischen Gesellschaften hat bisher allerdings nicht stattgefunden. Welche weiteren europäischen Rechtsformen gelten in der gesamten Union sowie parallel zu den einzelstaatlichen Vorschriften? Also, welche Alternativen bleiben Unternehmern, die in das europäische Ausland expandieren wollen?
Societas Privata Europaea (SPE) / Europa GmbH
Vergleichbar mit der deutschen GmbH oder der britischen Limited (Ltd.) sollte es sich bei der Societas Privata Europaea – auch Europäische Privatgesellschaft oder Europa GmbH – um eine Kapitalgesellschaft handeln, deren Gründer:innen sowohl natürliche als auch juristische Personen sein können. Das Mindestkapital für die Gründung sollte 1 Euro betragen. Auf dieser Grundlage sollte sie den Anforderungen des Mittelstandes Rechnung tragen, auf flexible und einfache Vorschriften im Gesellschaftsrecht und Gründungsmöglichkeiten für Tochtergesellschaften in Europa zurückzugreifen zu können. Plan war, eine einheitliche Rechtsform zu schaffen, statt Unternehmer:innen wie bisher mit mehr als 27 einzelnen rechtlichen Regelungen der einzelnen Mitgliedsstaaten zu konfrontieren. Ein Vorhaben, das insbesondere die Kosten für die Rechtsberatung, Verwaltung und Management der Tochtergesellschaften im europäischen Ausland erheblich reduzieren sollte.
Bisher hat die Einführung der von der EU-Kommission und dem EU-Parlament geplanten Rechtsform allerdings noch nicht stattgefunden.
Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Gesellschafter:innen (SUP)
Als Alternative zur gescheiterten Europa GmbH legte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die nur von einem einzigen Gesellschafter oder einer einzigen Gesellschafterin gegründet werden sollte, vor. Die Societas Unius Personae (SUP) sollte kleinen und mittleren Unternehmen die grenzüberschreitende Gründung einer Einpersonengesellschaft mit Haftungsbeschränkung im europäischen Ausland erleichtern. Unternehmer:innen, die nicht alleine gründen wollen, sollten die SUP auch als Komplementärin einer KG, beispielsweise als SUP & Co. KG, gründen können. Im Unterschied zur Societas Privata Europaea (SPE) sollte die SUP dem nationalen Recht unterworfen sein. Letztendlich würde es sich also nur um eine harmonisierte Rechtsform handeln, die auf nationalem GmbH-Recht des jeweiligen Landes basiert.
Dieser Vorschlag setze sich ebenfalls nicht durch: Die EU-Kommission zog ihren Vorschlag im März 2015 zurück.
Societas Europaea (SE): die Europäische Aktiengesellschaft
Die Unternehmensform der Europäischen Aktiengesellschaft, Abkürzung SE für Societas Europaea, entspricht in der EU in vielen Bereichen der Rechtsform der klassischen Aktiengesellschaft (AG). Die SE-Verordnung enthält lückenhafte Regelungen, die durch das nationale Recht des jeweiligen EU-Mitgliedstaates ergänzt wird, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat. Neben der europäischen Verordnung werden bei einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland die deutschen SE-spezifischen Regelungen sowie das deutsche Aktienrecht angewandt.
Wie bei der AG handelt es sich bei der SE handelt ebenfalls um eine Kapitalgesellschaft. Das nötige Kapital für die Unternehmensgründung ist mit 120.000 Euro allerdings vergleichsweise hoch. Dafür genießt die Rechtsform der SE hohes Ansehen im Ausland. Wer sein Unternehmen international ausrichten möchte, profitiert hier vom positiven Image. Im Vergleich zum deutschen Aktienrecht sind vergleichsweise einfache Strukturen in der Unternehmensführung möglich. Die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat dürfen beispielsweise gebündelt werden.
Die Gesellschaftsform SE kann ausschließlich durch bereits bestehende Gesellschaften gegründet werden. Die zwei am häufigsten vorkommenden Unternehmensformen Varianten sind die Umwandlung einer klassischen AG in eine SE oder die Verschmelzung von zwei AGs auf eine SE. Weitere Möglichkeiten sind die Gründung einer Holding oder einer weiteren Tochtergesellschaft. Für die Umwandlung muss ein Mitbestimmungsverfahren durchgeführt werden.
Die Geschäftsführung der zu gründenden SE verhandelt mit den Arbeitnehmervertretern über die Mitbestimmung im Aufsichtsrat sowie die Gründung eines SE-Betriebsrats. Diesem Betriebsrat stehen Unterrichtungs- und Anhörungsrechte in grenzüberschreitenden Angelegenheiten zu. Dieser Prozess ist zeitintensiv, wodurch die Gründung bis zu neun Monaten dauern kann.
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Societas Cooperativa Europaea (SCE): Die Europäische Genossenschaft
Eingetragene Genossenschaft eG
Die europäische Genossenschaft, die Societas Cooperativa Europaea (SCE), erfüllt diesen Zweck auf europäischer Ebene. Für die Gründung sind mindestens fünf natürliche oder juristische Personen erforderlich. Das Besondere ist, das die Gründer:innen ihren Unternehmenssitz in mindestens zwei EU-Mitgliedsstaaten haben müssen. Obwohl die Gründer:innen an sich den Rechtsvorschriften ihrer jeweiligen Mitgliedstaaten unterliegenden, wird die SCE im gesamten Binnenmarkt mit einer einzigen Rechtspersönlichkeit, Satzung und Struktur tätig. Neben fördernden Mitgliedern können auch ausschließlich kapitalgebende Mitglieder zugelassen werden. Das Grundkapital in Höhe von 40.000 € kann sowohl bar als auch als Sacheinlagen hinterlegt werden. Die Haftung der Mitglieder beschränkt sich auf ihre Geschäftsanteile.
In deutschen Genossenschaften ist die Generalversammlung das entscheidende Organ zu Willensbildung. Gemäß deutschem Genossenschaftsrecht verfügt jede Person über eine Stimme. In der Satzung der SCE kann zwischen zwei unterschiedlichen Entscheidungsstrukturen gewählt werden:
- dualistisches System
- monistisches System
Das dualistische System entspricht dem deutschen Genossenschaftsrecht. In den meisten anderen EU-Staaten findet das monistisches System Anwendung. Das heißt, die grundsätzliche Verantwortung für die Unternehmenspolitik liegt nicht bei der Generalversammlung, sondern bei einem Verwaltungsrat bzw. einem oder mehreren geschäftsführenden Direktoren.
Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV)
Bei der Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) handelt es sich um eine Rechtsform, die kleinen und mittleren Unternehmen unterschiedlicher europäischer Mitgliedstaaten eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglicht. Die Struktur der EWIV ähnelt einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG). Die EWIV gilt als juristische Person, die sich aus Gesellschaften oder anderen juristischen Einheiten sowie natürlichen Personen zusammensetzten. Ihre Mitglieder haften unbeschränkt und gesamtschuldnerisch. Die EWIV darf sich nicht an den Kapitalmarkt wenden und nicht mehr als 500 Arbeitnehmer:innen beschäftigen. Ihr Zweck liegt nicht darin, Gewinne für ihre Mitglieder zu erzielen. Sie soll es ihren rechtlich selbstständigen Mitgliedern vorrangig erleichtern, ihre wirtschaftliche Tätigkeit grenzüberschreitend in Europa auszuüben oder weiterzuentwickeln.
Steuerlich wird die EWIV wie eine Personengesellschaft behandelt. Gewinne und Verluste werden anteilig unter den Gesellschafter:innen aufgeteilt und in deren jeweiligem Heimatland versteuert. Gemäß des Doppelbesteuerungsabkommens werden eventuelle Gewinne zudem nach dem Betriebsstättenprinzip jeweils dort versteuert, wo die EWIV eine Betriebsstätte unterhält. Bei Vereinigungen, die in Deutschland ein Gewerbe betreiben und Gewerbesteuer zahlen müssen, gilt gemäß § 5 Gewerbesteuergeetz (GewStG) jeder Gesellschafter und jede Gesellschafterin als Gesamtschuldner:in und muss für die gesamte Gewerbesteuerschuld aufkommen, da eine EWIV gemäß der EWIV-Verordnung kein Steuersubjekt sein darf.
Societas Europaea & Co.: International durchstarten
Ob es je zur Einführung der der Societas Privata Europaea (SPE) oder Societas Unius Personae (SUP) kommt, ist fraglich. Für Ihre Expansion in das europäische Ausland gibt es aber Alternativen wie die Societas Europaea (SE). Welche europäische Rechtsform letztendlich die richtige ist, hängt von Zweck, Ihrer Geschäftstätigkeit sowie der Anzahl der Gründer:innen ab.
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