Inventurarten: Alles Wissenswerte im Überblick

Beim Erstellen des Jahresabschlusses ist die Inventur essentiell, um den Gewinn oder Verlust des Geschäftsjahres zu ermitteln. Die Bestandsaufnahme von Vermögenswerten und Schulden liefert dabei einen detaillierten Überblick, wie es um die finanzielle Gesundheit eines Unternehmens bestellt ist.

Doch ab wann sind Unternehmen verpflichtet, eine Inventur durchzuführen? Welche Inventurarten gibt es? Worin unterscheiden sie sich? Und was sind ihre Vor-und Nachteile? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert dieser Beitrag.

Wie eingangs beschrieben, dient die Inventur Unternehmen als Bestandsaufnahme, die alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Geschäftsjahresabschlusses erfasst. Dabei folgen Firmen den grundlegenden Anforderungen des Handelsgesetzbuchs (HGB), das unter anderem Vorschriften zum Zählen, Messen und Wiegen von Vermögensgegenständen enthält. Der Zusatz “körperlich” bezieht sich dabei auf materielle Güter wie Maschinen oder Lagerbestände. 

Im Gegensatz zu der körperlichen Inventur, die sich auf physische Bestände bezieht, die gezählt, gemessen oder gewogen werden, beschreibt die Buchinventur eine Bestandsaufnahme der buchhalterischen Unterlagen. Die Grundlage bilden hier also Belege, wie Rechnungen oder Lieferscheine. Sie bietet sich daher für das Erfassen immaterieller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten wie Wertpapiere, Lizenzen oder Kredite an. Je nach individueller Situation kombinieren Unternehmen die körperliche Inventur mit der Buchinventur.

Das Hauptziel einer Inventur ist es, den tatsächlichen Bestand mit den buchhalterisch erfassten Daten abzugleichen. Abweichungen dabei können auf Fehler hinweisen.

Während die Inventur den eigentlichen Prozess der Bestandsaufnahme beschreibt, ist das Inventar das Ergebnis der Inventur. Es wird als detaillierte Dokumentation in schriftlicher Form aufgestellt und listet alle Vermögensgegenstände und Schulden. Anhand des Inventars lässt sich so der Jahresabschluss erstellen.

Für Unternehmen, die zur doppelten Buchführung verpflichtet sind, ist die Inventur gesetzlich vorgeschrieben. Dazu zählen eingetragene Kaufleute, Gesellschaften wie die OHG und KG sowie alle Kapitalgesellschaften. Freiberufler:innen oder Kleinunternehmen müssen hingegen keine Inventur erstellen. Für sie ist zur Gewinnermittlung die einfache Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) ausreichend. Es gibt darüber hinaus auch sogenannte prüfungspflichtige Unternehmen, die ihre Inventur unter der Aufsicht einer Wirtschaftsprüferin oder eines Wirtschaftsprüfers durchführen müssen. Welche Firmen prüfungspflichtig sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die das Handelsgesetzbuch (HGB) regelt. Zum Beispiel sind große und mittelgroße Kapitalgesellschaften, die an der Börse notiert sind, prüfungspflichtig.

Das Standardverfahren ist die sogenannte Stichtagsinventur, bei der die körperliche und/oder buchhalterische Bestandsaufnahme zum Jahresende am Bilanzstichtag durchgeführt wird. Das ist in vielen Fällen der 31. Dezember, sofern sich das Geschäftsjahr nach dem Kalenderjahr richtet. Der Nachteil: Das manuelle Erfassen der Lagerbestände ist sehr zeitaufwendig, fehleranfällig und erfordert viele personelle Ressourcen.

Glücklicherweise gibt es in der DACH-Region auch vereinfachte Inventurarten bzw. -verfahren, die mehr Flexibilität bei der Bestandsaufnahme bieten. Dazu gehören:

Die permanente Inventur beschreibt das fortlaufende Erfassen von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten über den Zeitraum eines Geschäftsjahres. Anders als bei der Stichtagsinventur müssen hierbei also nicht alle Bestände an einem Tag erfasst werden, sondern sie werden kontinuierlich dokumentiert. Das Startdatum ist hierbei frei wählbar. Um Zeit zu sparen bietet es sich an, die permanente Inventur zu beginnen, wenn die Bestände am geringsten sind. Die Voraussetzung dieses Inventurverfahrens besteht im regelmäßigen Aufzeichnen von Zu- und Abgängen, was ein entsprechendes IT-System erfordert. Gut zu wissen: Laut der Einkommenssteuerrichtlinie R 5.3 EStR ist die permanente Inventur nicht zulässig für “besonders wertvolle Güter (abgestellt auf die Verhältnisse des jeweiligen Betriebs) sowie für Bestände, bei denen durch Schwund, Verdunsten, Verderb, leichte Zerbrechlichkeit oder ähnliche Vorgänge ins Gewicht fallende unkontrollierbare Abgänge eintreten.”

Hierbei wird auf Basis von Stichproben der Lagerbestand geschätzt. Es muss also nicht jeder einzelne Artikel mühselig gezählt werden. Stattdessen kommen Statistikverfahren zum Einsatz, mit denen die Qualität der Daten aus dem Lagerverwaltungssystem überprüft wird, um festzustellen, wie verlässlich die Informationen sind. Das Verfahren erfordert weniger Personalaufwand und ist besonders bei einem umfangreichen Warenbestand sinnvoll.

Bei der vor- bzw. nachverlegten Inventur lässt sich die Bestandsaufnahme bis zu drei Monate vor oder nach dem Bilanzstichtag erstellen. Diese Inventurart eignet sich besonders dann, wenn es zum eigentlichen Stichtag am 31. Dezember eher hektisch zugeht und nicht genügend personelle Ressourcen für die Inventur zur Verfügung stehen.

Entscheidet sich ein Betrieb für die verlegte Inventur, ist es besonders wichtig, dass eine vollständige Aufzeichnung aller Zu- und Abgänge zwischen dem Bilanztag und der tatsächlichen Inventur erfolgt. So kann das Unternehmen am Bilanzstichtag den Anfangsbestand (von der vorverlegten Inventur) mit den Zugängen und Abgängen verrechnen und den genauen Bestand für die Bilanz ermitteln.

Jede der genannten Inventurarten bringt ihre eigenen Vorteile und Herausforderungen mit sich:

• Die permanente Inventur ermöglicht Unternehmen einen zusätzlichen Spielraum, da das Inventar-Management kontinuierlich erfolgt und Fehler in der Buchführung frühzeitig erkannt werden können. Der Nachteil ist der Aufwand und die Nutzung eines entsprechenden IT-Systems, was ein zusätzlicher Kostenfaktor ist.
• Die Stichprobeninventur hat den Vorteil, dass sie weniger Personal erfordert und effizient bei großen Lagerbeständen ist. Allerdings ist hierbei ein geschultes Personal notwendig, das sich mit statistischen Verfahren auskennt.
• Das große Plus der vorverlegten Inventur ist die zeitliche Flexibilität und eine bessere Planbarkeit. Der Nachteil besteht in der aufwändigen Aufzeichnung aller Zu- und Abgänge zwischen dem Bilanzstichtag und der eigentlichen Durchführung der Inventur, was auch die Komplexität und das Fehlerrisiko erhöht.

Welche Inventurart sich am besten für ein Unternehmen eignet, hängt von seiner Größe, den Arten der Lagerbestände und den vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen ab.