Wie können mittelständische Unternehmen (KMU) ihre Innovationskraft fördern, um in einer globalisierten Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben? Das Intrapreneurship-Modell liefert dafür einen vielversprechenden Ansatz.
Doch was verbirgt sich hinter dem Konzept? Welche Vorteile ergeben sich daraus? Und worauf kommt es bei der erfolgreichen Einführung an? Qonto liefert Antworten auf diese und weitere Fragen.
Intrapreneurship leitet sich aus den englischen Begriffen „Intra Corporate“ (unternehmensintern) und „Entrepreneurship“ (Unternehmertum) ab. Es wird auch als Binnenunternehmertum bezeichnet und dient dazu, die Innovationskraft einer Organisation zu stärken. Dabei stehen die Mitarbeitenden im Mittelpunkt. Sie handeln wie Unternehmer:innen innerhalb der Organisation, indem sie neue Geschäftsideen entwickeln und umsetzen. Dafür stellt ihnen das Unternehmen Budgets und Arbeitszeit zur Verfügung. Intrapreneur:innen tragen also zur Innovationsfähigkeit einer Organisation bei.
Das Konzept wurde im Jahr 1978 vom US-amerikanischen Unternehmer-Ehepaar Elizabeth und Gifford Pinchot III entwickelt und in ihrem “Buch Intrapreneuring – Why You Don’t Have to Leave the Corporation to Become an Entrepreneur” detailliert beschrieben.
Anders als Intrapreneur:innen, die neue Geschäftsideen als Mitunternehmende im Rahmen eines Angestelltenverhältnis entwickeln, gründen Entrepreneur:innen unabhängige Unternehmen. Beide Formen haben ihre Vor- und Nachteile.
Für das Binnenunternehmertum spricht die finanzielle Sicherheit und das geringe unternehmerische Risiko, da Intrapreneur:innen von den internen Ressourcen des Unternehmens profitieren. Ein Nachteil besteht in der Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Für die Mitunternehmenden kann es eine zusätzliche Herausforderung sein, die eigenen Produktideen in den Strukturen einer bestehenden Organisation umzusetzen. Intrapreneur:innen benötigen daher ein hohes Maß an Motivation und Resilienz, um sich gegen eventuelle interne Widerstände zu behaupten.
Ein weiteres Konzept, das eng mit dem Intrapreneurship-Modell zusammenhängt, ist das “Corporate Entrepreneurship” (CE). Im Gegensatz zu einzelnen Innovationsprogrammen, in denen Mitarbeitende unternehmerisch denken und handeln, soll im Rahmen von CE die gesamte Organisation auf Innovationskurs gebracht werden. Dafür sind umfangreiche Change-Prozesse und eine Veränderung der Unternehmenskultur notwendig. Intrapreneurship-Programme können hierbei erste Impulse liefern, um die gesammelten Erfahrungen später auf die gesamte Organisation zu übertragen.
Den Mitarbeitenden Freiräume zu bieten, damit sie ihre Kreativität für eigene Projekte innerhalb des Unternehmens nutzen, stärkt nicht nur die Arbeitszufriedenheit, sondern bildet die Basis für neue Produkte und Dienstleistungen, die den Umsatz steigern.
Intrapreneur:innen entwickeln so eine hohe Eigenmotivation, suchen proaktiv nach neuen Marktchancen und erkennen Optimierungspotenziale innerhalb des Unternehmens. Sie bringen neue Perspektiven ein und sind oft Impulsgeber für Veränderungen.
Den eigenen Angestellten mehr Entscheidungsfreiheit zu geben, kann sich auch positiv auf die Arbeitgebermarke auswirken. Eine Belegschaft, die sich aktiv in das Unternehmen einbringen kann, fühlt sich dem Arbeitgeber stärker verbunden, was zu einer geringeren Kündigungsrate führt.
Besonders für den Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, ist Innovationsfähigkeit entscheidend, um Herausforderungen wie die Digitalisierung und den Fachkräftemangel zu meistern. Intrapreneurship-Programme, die unternehmerisches Handeln fördern und Beteiligungen am Unternehmenserfolg anbieten, können Jobsuchende überzeugen, erklärt Sven Neumann, Transformationsexperte der Startify GmbH in einem Interview mit der Bundesagentur für Arbeit.
Mittelständische Unternehmen haben gegenüber großen Konzernen auch den Vorteil, dass sich Veränderungen dank kürzerer Entscheidungswege schneller umsetzen lassen. Zusätzlich pflegen sie vertrauensvolle Partnerschaften mit Kund:innen und Lieferanten. Dieser direkte Draht zu Ressourcen und Know-how ist ein großes Plus bei der Umsetzung von Intrapreneurship-Programmen und unterstützt bei der Entwicklung profitabler Produktinnovationen.
Google gehört zu den bekanntesten Beispielen für die gelungene Umsetzung des Intrapreneurship-Modells. Im Jahr 2004 führte der Konzern das Programm "Innovation Time Off„ ein, welches Mitarbeitenden ermöglichte, 20 % ihrer Arbeitszeit für eigene Projektideen zu nutzen, woraus erfolgreiche Google Produkte wie Google News, AdSense und Gmail entstanden.
Ein weiteres bekanntes Beispiel ist die Videoplattform Vimeo. Um sich gegen die starken Konkurrenten YouTube, Netflix und Amazon Prime zu behaupten, kam Marketingdirektorin Anjali Sud auf die Idee, Vimeo in eine All-in-one-Lösung für die Videoerstellung zu verwandeln. Joey Levin, Chief Executive bei Vimeo, stellte Sud ein kleines Team zur Verfügung, um ihre Idee zu testen. Das Ergebnis: Der Umsatz steigerte sich in einem Jahr um 54%.
Auch die Computer-Entertainment-Plattform PlayStation vom japanischen Hersteller Sony ist das Ergebnis von Intrapreneurship. Ende der 1980er erkannte der Ingenieur Ken Kutaragi das Potenzial von Videospielen und versuchte seine Vorgesetzten davon zu überzeugen, eine Spielekonsole zu entwickeln. Doch das Management hatte kein Interesse. Kutaragi begann heimlich an dem Projekt zu arbeiten, was ihn beinah den Job kostete. Der damalige CEO Norio Ohga erkannte schließlich das Potenzial der Idee und stimmte einer Partnerschaft mit Nintendo zu. 1994 kam die PlayStation in Japan auf den Markt und verkaufte über 100 Millionen Exemplare in weniger als 10 Jahren.
Auch in der Bundesrepublik haben Konzerne das Potential von Intrapreneurship erkannt. Im Jahr 2015 brachte die Deutsche Bahn “DB mindbox” an den Start, ein Innovationslabor, in dem Start-ups und DB-Mitarbeitende gemeinsam an neuen Ideen für das Kerngeschäft der Bahn arbeiten und die Marktreife ihrer Produkte testen können.
Um Intrapreneurship-Programme als Bottom-up-Ansatz einzuführen und erfolgreich umzusetzen, empfehlen Innovationsexpert:innen zunächst die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehören:
Eine Kultur mit flachen Hierarchien und transparenter Kommunikation bildet die Basis für ein erfolgreiches Intrapreneurship-Programm. Mitarbeiter:innen benötigen ein gewisses Maß an Freiheit, um eigenständig handeln zu können und neue Lösungen zu entwickeln.
Bei der Förderung von Intrapreneurship kommt den Führungskräften des Unternehmens eine Schlüsselrolle zu. Sie sollten die Lernbereitschaft fördern, offen sein für neue Lösungsansätze und die Risikobereitschaft ihrer Mitarbeiter:innen unterstützen. Wichtig ist auch, die täglichen und innovationsgetriebenen Projekte getrennt voneinander zu bewerten.
Auch wenn Intrapreneur:innen bereit sind, ihre Ideen über die reguläre Arbeitszeit hinaus weiterzuentwickeln, ist es wichtig, dass die Führungsebene ein eigenes Budget und Arbeitszeitkontingent für die Projekte vorsieht. Das zeigt Wertschätzung für das Engagement der Mitarbeitenden und signalisiert, dass die Innovationsförderung im Unternehmen Priorität hat.
Geben Sie Intrapreneur:innen mehr Flexibilität und Autonomie bei der Ausgabenverwaltung von Budgets, mit individuellen Firmenkarten. Legen Sie Limits und Berechtigungen für jede Karte individuell und in Echtzeit fest – egal ob pro Monat, Tag oder Transaktion.
Interne Prozesse oder Formalien, die sich im Tagesgeschäft etabliert haben, können die Ideenfindung und Umsetzung von Intrapreneurship-Programmen ausbremsen. Deshalb empfehlen Expert:innen, flexiblere Regeln für die Erfolgskontrolle oder Präsentation der Arbeitsergebnisse festzulegen.
Intrapreneurship-Projekte brauchen zwar ein hohes Maß an Flexibilität und Handlungsspielraum, gleichzeitig benötigen sie auch eine Struktur und Abläufe, die sich an den strategischen Zielen des Unternehmens ausrichten und Orientierung bieten.
Nicht jede Idee führt zum Ziel und oft gehen einer erfolgreichen Innovation zahlreiche Rückschläge voraus. Um bei den Höhen und Tiefen motiviert zu bleiben, hat sich eine Arbeitsmentalität bewährt, die Fehler als Lernchancen begreift, finanzielle und intrinsische Anerkennung für die Bemühungen und erbrachten Leistungen zeigt und konstruktives Feedback fördert.
Sobald Intrapreneur:innen während der Umsetzungsphase neue Bereiche erschließen, die ihr Fachwissen übersteigen, lässt sich das fehlende Know-how durch externe Berater:innen oder Expert:innen ausgleichen. Sie verfügen über die nötige Erfahrung, um bei der Produktentwicklung zu unterstützen.
